Gras für Namibia

„Das sieht unfassbar schön aus!“, sagt einer der Reisenden im Jeep auf dem Weg vom Flughafen in Windhuk nach Okahandja, „Alles so grün!“ Doch der Schein trügt – was einst Savanne war, ist heute zwar grün, aber es ist das Grün der Akazien, die das Land überwuchern. Die Böden darunter sind vertrocknet und ausgelaugt.

In Namibia sind 32 Millionen Hektar Weideland verbuscht und somit als wertvolle Weide für Viehzucht und Wildtiere verloren gegangen. Das ist mehr als ein Drittel der Landfläche von Namibia. Die Verbuschung hat zur Folge, dass die Grundwasserreserven nicht vollständig aufgefüllt werden können, weil die vielen Büsche, allen voran die Hakendornakazie (Acacia mellifera) mit ihrem weitverbreiteten flachen Wurzelnetz, das Wasser schneller aufnimmt, als dieses in den Boden dringen kann. Busch verhindert also, dass Regenwasser über den Boden in Reservoirs unter der Erde gelangt – der Boden trocknet aus und verödet. Die Folge: Einschränkung der Artenvielfalt, Minderung der Grundwasserbildung und Verschlechterung der Tragfähigkeit von Weideland. Am Ende gibt es kein Entkommen: die Akazien breiten sich so schnell aus, dass man weder mit dem Jeep noch zu Fuß durch kommt. Die Dornen der Akazien reißen alles auf, was sich ihnen entgegenstellt. Hässliche Narben zieren die Füße und Beine der Arbeiter im Busch. Das Fällen der Bäume erfolgt überwiegend mit der Axt – denn auch geeignetes Werkzeug ist weder vorhanden noch kommt es in die unzugänglichen Regionen.

 

„Debushing ist teuer“, sagt ein einheimischer Farmer. „Wie wenn man seine Farm zum zweiten Mal kauft!“ Dennoch: die Akazien müssen weg, damit wieder Platz ist für z. B. den Anbau von Gras. Denn Gras ist in Namibia das Hauptnahrungsmittel für die Viehzucht. Spätestens hier kommt creapaper ins Spiel – denn die Firma aus Hennef produziert aus Gras einen Rohstoff zur Herstellung von Papier und Kartonagen für Verpackungen. Gäbe es in Namibia wieder Gras, wäre das gleich so viel, dass man es nicht nur als Viehfutter verwenden, sondern sogar als Rohstoff verwerten könnte – z. B. für Graspapier. Zufällig liegt im Nachbarland Südafrika die größte Papierproduktion des Kontinents.

 

Die Reisegruppe mit europäischen Wirtschaftsvertretern ist einer Einladung der GIZ Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit gefolgt. Unter der Leitung von Prof. Heck vom ifas-Institut für angewandtes Stoffstrommanagement in Birkenfeld führt die Tour die interessierten Unternehmer von Windhuk über Okahandja, Otjiwarango über Ohorongo bis zur Omalanga Lodge an der Grenze des Etosha Nationalparks. In dieser Region soll nach den Plänen der ifas ein Biomasse Industrie Park (BIP) entstehen.

Die Einrichtung dieses BIP hat große Ziele:
• technologischer Fortschritt in der Mobilisierung der Biomasse,
• Synergieeffekte zwischen verschiedenen Produktionsprozessen,
• Skaleneffekte, die zu niedrigeren Kosten pro Einheit führen,
• Zentralisierung und damit Sogwirkung,
• Produktdiversifizierung.

Klingt ein wenig akademisch. Prof. Heck vom ifas beschreibt es deutlich pragmatischer: „Wo hat man denn schon die Gelegenheit, etwas gleichermaßen ökonomisch wie ökologisch sinnvolles zu tun und gleichzeitig noch so vielen Menschen Hoffnung und Zukunft zu geben?“

 

creapaper hat sofort zugesagt, sich zu engagieren, als die ifas nach Partnern für das Projekt gesucht hat. „Wir bringen unsere Idee des Graspapiers nach Afrika“, sagt Gründer und CEO Uwe D´Agnone, „und helfen den Menschen vor Ort damit – schaffen Arbeitsplätze, sichern Einkünfte, machen den Boden wieder fruchtbar – das ist wirklich ’social impact‘.“

 

Die Gruppe von Wirtschaftsvertretern sitzt in einem Workshop am Ende der Bildungsreise. Auf einem Flipchart steht: „Was ist anders, wenn wir fertig sind“:

• Widerherstellung landwirtschaftlicher Nutzfläche
• Sicherung nachhaltiger Grundwasserbildung
• „Neu“-Entwicklung der Artenvielfalt
• Schaffung von Arbeitsplätzen in landwirtschaftlichen Gebieten
• Verbesserung der Selbstversorgung
• Lokale Wertschöpfung von vorhandenen Ressourcen
• Biomasse entsteht: Brennstoffe, Baumaterialien, Futtermittel – und: Rohstoff für Graspapier

 

Die Tage waren lang und anstrengend. „Die Reise habe ich mir ehrlich gesagt etwas entspannter vorgestellt“, lächelt D´Agnone. Alle duzen sich. Man fühlt sich, als würde man sich schon lange kennen. Aus Fremden sind in wenigen Tagen Freunde geworden.

 

In wenigen Wochen schon geht es los. Auf der Fläche in der Größe eine Fußballplatzes roden die Farmer die Akazien und machen Platz für einheimische Grassamen – hat es dann die richtige Länge, testet creapaper, für welche Arten von Graspapier und -Verpackungen es geeignet ist. Uwe D´Agnone ist begeistert: „Namibia ist ein wunderschönes Land, und die Einheimischen arbeiten mit Stolz und großer Freude an diesem Projekt. Ich kann es kaum erwarten, wieder herzukommen!“

 
Quelle: Dr. Rainer Schrägle

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